Bergwerk Bollschweil

Wenn sich die Erde auftut. Informationen zu Bergschadensereignissen und Sanierungen.
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Fahrsteiger
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Bergwerk Bollschweil

Beitrag von Fahrsteiger »

Kein Zugang mehr zu den Reben
BOLLSCHWEIL. Jetzt ist es amtlich: Am Bollschweiler Steinberg kann der Untergrund einbrechen. Die Ursache sind Stollen und Abbaukammern aus den 1930er Jahren. Die Gemeinde ist vom Regierungspräsidium aufgefordert, die Erschließungswege zu den Reben zu sperren. Und den Winzern rät die Behörde, ihre Anlagen zu roden, auf jeden Fall aber keine schweren Maschinen mehr einzusetzen.
"Es kann jederzeit zu weiteren Einbrüchen kommen", erklärte Holger Schick von der Landesbergdirektion im Regierungspräsidium jetzt in der Bollschweiler Ratssitzung. Die Gefährdung sei ähnlich groß einzuschätzen wie am Kahlenberg zwischen Ringsheim und Herbolzheim, wo im Februar 2008 ein rund 20 Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Metern eingebrochen war. Auch dort wurde einst Eisenerz abgebaut, und zwar von 1937 bis 1969.
Bollschweils Bergbaugeschichte ist vergleichsweise kurz und mit dem Erzabbau in St. Georgen und Ebringen verknüpft. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs richteten die damaligen Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH mit Sitz in Dortmund in St. Georgen eine Eisenerzgrube ein, wobei sich die Bergleute auch von Ebringen und Bollschweil aus in den Schönberg gruben. Ausgebeutet wurde ein sechs bis acht Meter mächtiges Flöz aus der Braunjurazeit, das das Schönbergmassiv absteigend durchzieht. Bei einem Eisengehalt von 20 Prozent war der Abbau nicht wirtschaftlich, den nationalsozialistischen Machthabern ging es darum, den Krieg vorzubereiten. 1942 wurde das Bergwerk wieder stillgelegt, nachdem Lothringen mit weitaus einträglicheren Erzgruben erobert war. In Bollschweil wurden die Arbeiten schon 1939 beendet. Insgesamt wurden am Schönberg 1,4 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert.
In Bollschweil gab es zuletzt in den 1970er Jahren einen größeren Einbruch. Alarmiert sah sich die Gemeinde im Frühsommer 2010, als sich das Erdreich am unteren Rebbergweg oberhalb der Bebauung am Siedlungsrand im Bereich "Kuckucksbad" (die BZ berichtete) absenkte. Etwa 30 Meter hangabwärts war einst Unter einem Risswerk ist der "Bauplan" eines Bergwerks zu verstehen. Der Stollen diente zur Erkundung und Erschließung, zum Transport von Geräten und natürlich auch zum Wegschaffen des Eisenerzes aus den Abbaukammern. Die Gemeinde sperrte diesen Weg.
Nun stellte Mitgeschäftsführer Jörg Fugmann im Rat eine Risikoanalyse aus dem Karlsruher Fachbüro Arguplan vor. Der Geologe, Assessor des Markscheidefachs (Vermessungswesen im Bergbau) und Sachverständiger für Bodenbewegungen infolge Bergbau und Untertagebau hat alle Informationen zu den unterirdischen Anlagen und zur Entwicklung des Geländes zusammengetragen und ausgewertet. Das sind etwa die Baupläne, Karten, Luftaufnahmen, Daten zur Flurneuordnung am Steinberg und zum Wegebau, die Ergebnisse von Bohrungen, die die Gemeinde im Jahr 2000 im Vorfeld davon veranlasst hat, aber auch Zeitzeugenberichte. Ergeben hat sich eine kleinräumig und in vier Kategorien differenzierte Risikoabschätzung. Das größte Gefahrenpotenzial (Risikoklasse 1) sieht Fugmann im Bereich des Stolleneingangs sowie des aktuellen Bruchs am unteren Rebbergweg. Die Risikoklasse 2 schreibt er einem 120 Meter langen Abschnitt des mittleren Wegs und der Rebflächen (etwa 5000 Quadratmeter oder 50 Ar) zwischen den beiden Wegen zu, denn hier sei die Bodenabdeckung über den Hohlräumen relativ gering. Es sei damit zu rechnen, dass die einst tief liegenden Abbaukammern mit einer Fläche von etwa 30 Quadratmetern und einer Höhe von sechs Metern "nach oben gewandert" seien. Das passiert dadurch, dass Erdmaterial von oben in die Kammern einbricht. Räte und Bürgermeister Schweizer waren betroffen von diesen Informationen. "Die Wertminderung der Rebstücke kommt einer Enteignung gleich", klagte Johannes Wiesler (Bürgerforum). Peter Loreth (Bürgerforum) sprach von "Pfusch" als der Abbau eingestellt wurde, worauf Holger Schick meinte: "Aus heutiger Sicht ist das richtig, damals aber war es gang und gäbe, solche Anlagen einfach stehen und liegen zu lassen." Sichtlich um Fassung rang Wolfgang Mangold (Bürgerliste), zumal es nach Einschätzung Schicks schwer sein dürfte, Schadensersatz einzufordern.
Zwar gibt es mit der Siegener Barbara Erzbergbau AG ein Unternehmen, das die Bergbaurechte am Schönberg nach Kriegsende übernommen hat. In Bollschweil war die Firma selbst jedoch nicht mehr tätig. Die Anlagen in St. Georgen und Ebringen hielt sie bis 1957 Jahre betriebsbereit. Abgesehen davon habe die Gemeinde selbst die Situation am Steinberg durch Eingriffe wie den Wegebau verändert. "Sie haben diese Wege in Kenntnis des früheren Bergbaus geschaffen und so auch ein zuvor nicht dagewesenes Gefährdungspotenzial", so Schick. Seine Botschaft als Vertreter der Landesbergdirektion, die auch als obere Polizeibehörde in Sachen Bergbau fungiert, war: die Wege sofort sperren, wobei der untere Weg, von dem nur ein kurzes Stück betroffen ist, nach seiner Einschätzung mit vertretbarem Aufwand saniert werden könnte. Den betroffenen Winzern werde seine Behörde raten, das Gelände nur noch extensiv zu bewirtschaften.
Glück Auf
Horst
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Dem Bergbau verschworen. Im Bergbau geschafft. Zum Bergmann erkoren mit stählerner Kraft.
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Kartan
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Re: Bergwerk Bollschweil

Beitrag von Kartan »

Kommt mir doch irgendwie bekannt vor, der Planausschnitt, wo ich doch fleißig dran redigiert hab'. Wie dem auch sei: Mehr zu Bollschweil hier: http://kartan.de/index.php?id=steinberg.

Glückauf!
Kartan
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Fahrsteiger
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Re: Bergwerk Bollschweil

Beitrag von Fahrsteiger »

Eine unterirdisch spannende Story
Die vergleichsweise kurze St. Georgener Bergbaugeschichte ist am Sonntag Thema beim Sommerfest der Stiftung Kulturwerk.
ST. GEORGEN. Von 1937 bis 1942 war St. Georgen Standort eines Eisenerzbergwerks. Bei ihrem Sommerfest am Sonntag bietet die Stiftung Freies Kulturwerk Freiburg-St. Georgen Einblick in diese Vergangenheit. Angeboten werden Führungen durch den einstigen Hauptstollen, angeleitet von Otto Geiger aus Betzenhausen, der bis 1989 als Maschinensteiger im Kaliwerk Buggingen gearbeitet hat, und von Rainer Kapteinat von der Landesbergdirektion im Freiburger Regierungspräsidium.
Es war 1937, als die Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH mit Sitz in Dortmund am Schönberg eine Eisenerzgrube einrichteten. 1,4 Millionen Tonnen Erz wurden gefördert und auf dem Schienenweg zu den Stahlwerken im Ruhrgebiet transportiert. Gefördert wurde das Erz auf Befehl der nationalsozialistischen Machthaber, die den Zweiten Weltkrieg vorbereiteten. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wäre es nicht abbauwürdig gewesen. Nachdem die Wehrmacht das französische Lothringen mit weitaus einträglicheren Erzgruben erobert hatte, wurde das Bergwerk stillgelegt.
Begehbar sind nur noch die ersten 150 Meter des Stollens
Der Hauptstollen, der für Dieselloks befahrbar war, erstreckte sich über eine Länge von 750 Meter. Heute noch begehbar sind rund 150 Meter. Auch von Ebringen und Bollschweil aus wurde Eisenerz abgebaut. Das Erz kam aus einem sechs bis acht Meter mächtigen Flöz (Lagerstätte eines Rohstoffes im Gestein), das das Schönbergmassiv durchzieht. Ausgehend von der Nordseite auf der Höhe des Jesuitenschlosses bei Merzhausen passiert es den St. Georgener Bahnhof in einer Tiefe von 250 Meter und läuft im Gebiet des Mooswaldes aus. Entstanden war dieses Flöz in der Braunjurazeit vor 195 bis 157 Millionen Jahren, als Südwestdeutschland von Meer bedeckt war. In dieses Meer trugen Flüsse eisenhaltige Verwitterungslösungen ein, aus denen sich im Lauf der Jahrmillionen eine Gesteinsschicht entwickelte.
Andernorts gab es wiederholt Einbrüche über Flözen
In der Vorbergzone des Schwarzwaldes finden sich an vielen Stellen solche Flöze. Spektakulär war das Einbrechen eines rund 20 Meter tiefen Loches am Kahlenberg im Februar 2008, wo von 1937 bis 1969 ebenfalls Erz abgebaut wurde. Alarmiert sieht sich die Landesbergdirektion auch durch eine Absenkung des Geländes am Bollschweiler Steinberg im August 2010. Inzwischen hat die Behörde empfohlen, zwei Zufahrten in diesen Weinberg zu sperren und eine Rebfläche von 5000 Quadratmeter zu roden, um das Risiko zu minimieren. In St. Georgen drohen solche Gefahren nicht, denn hier liegen die Abbaukammern in großer Tiefe.
Auch wenn die St. Georgener Bergwerksgeschichte nur fünf Jahre dauerte, so hat sie doch Spuren im Ort hinterlassen. Aus Schlesien, aus dem Ruhrgebiet und aus dem Saarland waren Bergleute angeworben worden; 1939 waren rund 1000 Arbeiter beschäftigt. Für die Familien wurden spezielle Wohnhäuser gebaut, und zwar im Bereich des Haugerwegs östlich der heutigen Kirche St. Peter und Paul, sowie am Hartkirchweg und am Mettweg.
Nach Kriegsende gingen die Bergbaurechte am Schönberg auf die Siegener Barbara Erzbergbau AG über, die die Grube noch bis 1957 instand hielt, auch wenn kein Bergbau mehr stattfand. Danach wurden die Übertageanlagen Schritt für Schritt demontiert. Die beiden Lagersilos beim St. Georgener Bahnhof wurden 1980 gesprengt. Bauliche Zeugnisse sind noch ein Roherzsilo oberhalb Ebringens im Wald, das frühere Verwaltungs- und Kaupengebäude in St. Georgen (im Kaupenhaus haben sich die Bergleute umgezogen) sowie der Eingang zum dortigen Hauptstollen mit einem denkmalgeschützten Fresko des Künstlers Adolf Riedlin aus Laufen.
Auf dem Gelände startete einst die Waldorfschule St. Georgen
In den 1960er Jahren erwarb der Architekt Hans-Dieter Erichsen das Zechengelände. 1973 startete die Waldorfschule St. Georgen im Verwaltungsgebäude (sie bezog 1985 einen Neubau an der Bergiselstraße). Seit 1986 tragen Liegenschaft und Gebäude den Namen "Albertus-Magnus-Haus", Eigentümerin ist die von Erichsen gegründete Stiftung Freies Kulturwerk Freiburg-St. Georgen. Die Stiftung sanierte auch das ehemalige Kaupengebäude und vermietet heute Räume an 16 Einrichtungen, Künstler, Fortbildungsinstitute und Unternehmen, unter anderem an den Waldorfkindergarten "Sonnenblume", das "Seminarhaus am Schönberg", die Freiburger Heilpflanzenschule und der Maler und Kunstlehrer Paul Pollock. Dieser öffnet am Sonntag ebenfalls sein Atelier.
Sommerfest: kostenlose Führungen im alten Bergwerk beim Albertus-Magnus-Haus, Zechenweg 6, gibt es am Sonntag, 15. Juli, 11 bis 17 Uhr (Gummistiefel mitbringen). Beim Fest gibt es Getränke und Speisen. Wer will, kann im Ofen des Kulturwerks eigene Flammkuchen oder Pizzen backen. Im benachbarten Achillea-Heilpflanzengarten gibt es von 15 bis 19 Uhr ein Trommelfest mit Trommel- und Percussiongruppen aus der Trommelschule Christian Deichert.
Glück Auf
Horst
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Dem Bergbau verschworen. Im Bergbau geschafft. Zum Bergmann erkoren mit stählerner Kraft.
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