Salzgitter - Windmühlenberg

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Thomas_Krassmann
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Beitrag von Thomas_Krassmann »

Gerade gelesen - vielleicht schaut einmal jemand hin ??

Wohnungseigentümer sollen Absicherung von SMAG-Luftschutzanlagen zahlen

"Von den Stollen war nie die Rede" - Käufer wussten nichts von unterirdischen Anlagen


Von Ingo Kugenbuch


„Ich beabsichtige daher, für den betroffenen Teil Ihres Grundstückes als Sofortmaßnahme eine Nutzungsbeschränkung (...) anzuordnen und meine Forderung ggf. durch Zwangsmittel (...) durchzusetzen“, heißt es in einem Schreiben an 13 Wohnungseigentümer des Hauses Windmühlenbergstraße 26 in Salzgitter-Bad.

Ein Teil eines einsturzgefährdeten ehemaligen Luftschutzstollens, so Bauaufsichts-Sachbearbeiter Hartmut Hahn, „befindet sich auch unter Ihrem Grundstück“. Nach Probebohrungen gebe es „konkrete Anhaltspunkte“, dass der Stollen „in nächster Zeit einstürzen könnte“. Deshalb dürften die Wohnungseigentümer den gefährdeten Bereich nicht mehr mit „landwirtschaftlichen, bautechnischen und anderen Nutzfahrzeugen“ befahren, verkündet Hahn und droht gleich mehrfach „Zwangsmittel“, „Zwangsgeld“ und die Anordnung einer „Ersatzvornahme“ mit „Sofortvollzug“ an, die natürlich die Angeschriebenen bezahlen müssten. Genauso wie die Kosten der möglichen Verfüllung des Stollens mit Beton.

„Wir sind nicht der Verursacher dieser Geschichte und sollen jetzt dafür geradestehen“, sagt Wolfgang Sander, einer der Bewohner des weißen, frei stehenden Hauses. Als er Mitte der 1990erJahre seine 82-Quadratmeter-Wohnung von einem Makler aus Süddeutschland gekauft habe, sei über Luftschutzstollen nie gesprochen worden. „Für mich ist das Betrug“, sagt Adrian Wiegleb, der auch Eigentümer einer der 14 Wohnungen ist. Niemand habe ihn beim Kauf auf die Luftschutzanlage unter dem zum Haus gehörenden Grundstück aufmerksam gemacht.

Die SMAG – damals noch Eigentum der Preussag AG – hat das Gebäude mit Werkswohnungen Anfang der 1990er-Jahre abgestoßen. Der Makler Helmut Beyl aus dem schwäbischen Ilsfeld kaufte das Haus, modernisierte es und verkaufte die einzelnen Wohnungen wiederum. „Von den Stollen war nie die Rede“, sagt Beyl der SZ auf Nachfrage. Auch als er 1996 auf dem Grundstück Garagen für das Haus gebaut hat, habe er ohne Schwierigkeiten die Baugenehmigung dafür erhalten. Niemand im Bauordnungsamt habe ihn auf die unterirdischen Luftschutzstollen aufmerksam gemacht.

Heinz-Peter Naujoks, der erst wenige Jahre zuvor aus dem Ruhrgebiet nach Salzgitter gekommen war, hat damals im Auftrag der Preussag das Haus verkauft. „Ich habe mich um Lage und Ausstattung gekümmert“, sagt er. Von den Stollen jedoch sei ihm „überhaupt nichts“ bekannt gewesen. Naujoks: „Aus den Plänen war nichts ersichtlich, und auch die Verantwortlichen der Preussag haben mich nicht informiert.“

Wusste jemand von den unterirdischen Anlagen? Und, wenn ja: Warum wurden die Käufer nicht informiert? Die Pressestelle der Preussag-Nachfolgerin Tui AG recherchiert derzeit auf SZ-Nachfrage.

Jetzt hat die Vergangenheit die Bewohner des Hauses Nummer 26 eingeholt. Jeder von ihnen hat sich auf dem rund 7000 Quadratmeter großen Grundstück ein Gärtchen eingerichtet: Die Deutschlandfahne flattert weithin sichtbar, und ein Gartenzwerg spielt Ziehharmonika. „Wir sind alles kleine Malocher“, sagt Wolfgang Sander, „wer soll das Ganze jetzt bezahlen?“

Wenn es nach der Stadt Salzgitter geht: die Bundesrepublik Deutschland. Bei den SMAG-Anlagen, so der städtische Stollenbeauftragte Martin Rychlak, handele es sich um so genannte Verlagerungsstollen. Sie sollten die Kriegsproduktion der Hermann-Göring-Werke vor den alliierten Bomben schützen. Nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz ist der Rechtsnachfolger des Stollenbauers für die Sicherung der Anlagen verantwortlich. Da die Reichswerke ein Staatsbetrieb waren, so Rychlaks Argumentation, müsse der heutige Staat die Verfüllung der Stollen bezahlen.

Das sieht die Oberfinanzdirektion Magdeburg als Vertreterin des Bundes erwartungsgemäß anders: Die SMAG-Stollen seien reine Produktionsstätten gewesen, mit denen das Reich damals und der Bund heute nichts zu tun hätten. Jetzt müssen die Gerichte klären, wer Recht hat – und wer die millionenteure Stollensanierung bezahlen muss.

Vielleicht kommen Wolfgang Sander, Adrian Wiegleb und die anderen Wohnungseigentümer im Haus Windmühlenbergstraße 26 mit einem blauen Auge davon. Bei Probebohrungen haben die Gutachter entdeckt, dass der Stollenbereich unter dem Grundstück möglicherweise bereits kurz nach dem Krieg gesprengt wurde. Damals eingestürzte Hohlräume müssen heute nicht mit Beton gefüllt werden.

Gruss

Thomas
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