Bergwerk Bollschweil
Verfasst: Sa. 19. Mai 12 12:22
Kein Zugang mehr zu den Reben
BOLLSCHWEIL. Jetzt ist es amtlich: Am Bollschweiler Steinberg kann der Untergrund einbrechen. Die Ursache sind Stollen und Abbaukammern aus den 1930er Jahren. Die Gemeinde ist vom Regierungspräsidium aufgefordert, die Erschließungswege zu den Reben zu sperren. Und den Winzern rät die Behörde, ihre Anlagen zu roden, auf jeden Fall aber keine schweren Maschinen mehr einzusetzen.
"Es kann jederzeit zu weiteren Einbrüchen kommen", erklärte Holger Schick von der Landesbergdirektion im Regierungspräsidium jetzt in der Bollschweiler Ratssitzung. Die Gefährdung sei ähnlich groß einzuschätzen wie am Kahlenberg zwischen Ringsheim und Herbolzheim, wo im Februar 2008 ein rund 20 Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Metern eingebrochen war. Auch dort wurde einst Eisenerz abgebaut, und zwar von 1937 bis 1969.
Bollschweils Bergbaugeschichte ist vergleichsweise kurz und mit dem Erzabbau in St. Georgen und Ebringen verknüpft. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs richteten die damaligen Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH mit Sitz in Dortmund in St. Georgen eine Eisenerzgrube ein, wobei sich die Bergleute auch von Ebringen und Bollschweil aus in den Schönberg gruben. Ausgebeutet wurde ein sechs bis acht Meter mächtiges Flöz aus der Braunjurazeit, das das Schönbergmassiv absteigend durchzieht. Bei einem Eisengehalt von 20 Prozent war der Abbau nicht wirtschaftlich, den nationalsozialistischen Machthabern ging es darum, den Krieg vorzubereiten. 1942 wurde das Bergwerk wieder stillgelegt, nachdem Lothringen mit weitaus einträglicheren Erzgruben erobert war. In Bollschweil wurden die Arbeiten schon 1939 beendet. Insgesamt wurden am Schönberg 1,4 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert.
In Bollschweil gab es zuletzt in den 1970er Jahren einen größeren Einbruch. Alarmiert sah sich die Gemeinde im Frühsommer 2010, als sich das Erdreich am unteren Rebbergweg oberhalb der Bebauung am Siedlungsrand im Bereich "Kuckucksbad" (die BZ berichtete) absenkte. Etwa 30 Meter hangabwärts war einst Unter einem Risswerk ist der "Bauplan" eines Bergwerks zu verstehen. Der Stollen diente zur Erkundung und Erschließung, zum Transport von Geräten und natürlich auch zum Wegschaffen des Eisenerzes aus den Abbaukammern. Die Gemeinde sperrte diesen Weg.
Nun stellte Mitgeschäftsführer Jörg Fugmann im Rat eine Risikoanalyse aus dem Karlsruher Fachbüro Arguplan vor. Der Geologe, Assessor des Markscheidefachs (Vermessungswesen im Bergbau) und Sachverständiger für Bodenbewegungen infolge Bergbau und Untertagebau hat alle Informationen zu den unterirdischen Anlagen und zur Entwicklung des Geländes zusammengetragen und ausgewertet. Das sind etwa die Baupläne, Karten, Luftaufnahmen, Daten zur Flurneuordnung am Steinberg und zum Wegebau, die Ergebnisse von Bohrungen, die die Gemeinde im Jahr 2000 im Vorfeld davon veranlasst hat, aber auch Zeitzeugenberichte. Ergeben hat sich eine kleinräumig und in vier Kategorien differenzierte Risikoabschätzung. Das größte Gefahrenpotenzial (Risikoklasse 1) sieht Fugmann im Bereich des Stolleneingangs sowie des aktuellen Bruchs am unteren Rebbergweg. Die Risikoklasse 2 schreibt er einem 120 Meter langen Abschnitt des mittleren Wegs und der Rebflächen (etwa 5000 Quadratmeter oder 50 Ar) zwischen den beiden Wegen zu, denn hier sei die Bodenabdeckung über den Hohlräumen relativ gering. Es sei damit zu rechnen, dass die einst tief liegenden Abbaukammern mit einer Fläche von etwa 30 Quadratmetern und einer Höhe von sechs Metern "nach oben gewandert" seien. Das passiert dadurch, dass Erdmaterial von oben in die Kammern einbricht. Räte und Bürgermeister Schweizer waren betroffen von diesen Informationen. "Die Wertminderung der Rebstücke kommt einer Enteignung gleich", klagte Johannes Wiesler (Bürgerforum). Peter Loreth (Bürgerforum) sprach von "Pfusch" als der Abbau eingestellt wurde, worauf Holger Schick meinte: "Aus heutiger Sicht ist das richtig, damals aber war es gang und gäbe, solche Anlagen einfach stehen und liegen zu lassen." Sichtlich um Fassung rang Wolfgang Mangold (Bürgerliste), zumal es nach Einschätzung Schicks schwer sein dürfte, Schadensersatz einzufordern.
Zwar gibt es mit der Siegener Barbara Erzbergbau AG ein Unternehmen, das die Bergbaurechte am Schönberg nach Kriegsende übernommen hat. In Bollschweil war die Firma selbst jedoch nicht mehr tätig. Die Anlagen in St. Georgen und Ebringen hielt sie bis 1957 Jahre betriebsbereit. Abgesehen davon habe die Gemeinde selbst die Situation am Steinberg durch Eingriffe wie den Wegebau verändert. "Sie haben diese Wege in Kenntnis des früheren Bergbaus geschaffen und so auch ein zuvor nicht dagewesenes Gefährdungspotenzial", so Schick. Seine Botschaft als Vertreter der Landesbergdirektion, die auch als obere Polizeibehörde in Sachen Bergbau fungiert, war: die Wege sofort sperren, wobei der untere Weg, von dem nur ein kurzes Stück betroffen ist, nach seiner Einschätzung mit vertretbarem Aufwand saniert werden könnte. Den betroffenen Winzern werde seine Behörde raten, das Gelände nur noch extensiv zu bewirtschaften.
Glück Auf
Horst
BOLLSCHWEIL. Jetzt ist es amtlich: Am Bollschweiler Steinberg kann der Untergrund einbrechen. Die Ursache sind Stollen und Abbaukammern aus den 1930er Jahren. Die Gemeinde ist vom Regierungspräsidium aufgefordert, die Erschließungswege zu den Reben zu sperren. Und den Winzern rät die Behörde, ihre Anlagen zu roden, auf jeden Fall aber keine schweren Maschinen mehr einzusetzen.
"Es kann jederzeit zu weiteren Einbrüchen kommen", erklärte Holger Schick von der Landesbergdirektion im Regierungspräsidium jetzt in der Bollschweiler Ratssitzung. Die Gefährdung sei ähnlich groß einzuschätzen wie am Kahlenberg zwischen Ringsheim und Herbolzheim, wo im Februar 2008 ein rund 20 Meter tiefes Loch mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Metern eingebrochen war. Auch dort wurde einst Eisenerz abgebaut, und zwar von 1937 bis 1969.
Bollschweils Bergbaugeschichte ist vergleichsweise kurz und mit dem Erzabbau in St. Georgen und Ebringen verknüpft. Im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs richteten die damaligen Rohstoffbetriebe der Vereinigten Stahlwerke GmbH mit Sitz in Dortmund in St. Georgen eine Eisenerzgrube ein, wobei sich die Bergleute auch von Ebringen und Bollschweil aus in den Schönberg gruben. Ausgebeutet wurde ein sechs bis acht Meter mächtiges Flöz aus der Braunjurazeit, das das Schönbergmassiv absteigend durchzieht. Bei einem Eisengehalt von 20 Prozent war der Abbau nicht wirtschaftlich, den nationalsozialistischen Machthabern ging es darum, den Krieg vorzubereiten. 1942 wurde das Bergwerk wieder stillgelegt, nachdem Lothringen mit weitaus einträglicheren Erzgruben erobert war. In Bollschweil wurden die Arbeiten schon 1939 beendet. Insgesamt wurden am Schönberg 1,4 Millionen Tonnen Eisenerz gefördert.
In Bollschweil gab es zuletzt in den 1970er Jahren einen größeren Einbruch. Alarmiert sah sich die Gemeinde im Frühsommer 2010, als sich das Erdreich am unteren Rebbergweg oberhalb der Bebauung am Siedlungsrand im Bereich "Kuckucksbad" (die BZ berichtete) absenkte. Etwa 30 Meter hangabwärts war einst Unter einem Risswerk ist der "Bauplan" eines Bergwerks zu verstehen. Der Stollen diente zur Erkundung und Erschließung, zum Transport von Geräten und natürlich auch zum Wegschaffen des Eisenerzes aus den Abbaukammern. Die Gemeinde sperrte diesen Weg.
Nun stellte Mitgeschäftsführer Jörg Fugmann im Rat eine Risikoanalyse aus dem Karlsruher Fachbüro Arguplan vor. Der Geologe, Assessor des Markscheidefachs (Vermessungswesen im Bergbau) und Sachverständiger für Bodenbewegungen infolge Bergbau und Untertagebau hat alle Informationen zu den unterirdischen Anlagen und zur Entwicklung des Geländes zusammengetragen und ausgewertet. Das sind etwa die Baupläne, Karten, Luftaufnahmen, Daten zur Flurneuordnung am Steinberg und zum Wegebau, die Ergebnisse von Bohrungen, die die Gemeinde im Jahr 2000 im Vorfeld davon veranlasst hat, aber auch Zeitzeugenberichte. Ergeben hat sich eine kleinräumig und in vier Kategorien differenzierte Risikoabschätzung. Das größte Gefahrenpotenzial (Risikoklasse 1) sieht Fugmann im Bereich des Stolleneingangs sowie des aktuellen Bruchs am unteren Rebbergweg. Die Risikoklasse 2 schreibt er einem 120 Meter langen Abschnitt des mittleren Wegs und der Rebflächen (etwa 5000 Quadratmeter oder 50 Ar) zwischen den beiden Wegen zu, denn hier sei die Bodenabdeckung über den Hohlräumen relativ gering. Es sei damit zu rechnen, dass die einst tief liegenden Abbaukammern mit einer Fläche von etwa 30 Quadratmetern und einer Höhe von sechs Metern "nach oben gewandert" seien. Das passiert dadurch, dass Erdmaterial von oben in die Kammern einbricht. Räte und Bürgermeister Schweizer waren betroffen von diesen Informationen. "Die Wertminderung der Rebstücke kommt einer Enteignung gleich", klagte Johannes Wiesler (Bürgerforum). Peter Loreth (Bürgerforum) sprach von "Pfusch" als der Abbau eingestellt wurde, worauf Holger Schick meinte: "Aus heutiger Sicht ist das richtig, damals aber war es gang und gäbe, solche Anlagen einfach stehen und liegen zu lassen." Sichtlich um Fassung rang Wolfgang Mangold (Bürgerliste), zumal es nach Einschätzung Schicks schwer sein dürfte, Schadensersatz einzufordern.
Zwar gibt es mit der Siegener Barbara Erzbergbau AG ein Unternehmen, das die Bergbaurechte am Schönberg nach Kriegsende übernommen hat. In Bollschweil war die Firma selbst jedoch nicht mehr tätig. Die Anlagen in St. Georgen und Ebringen hielt sie bis 1957 Jahre betriebsbereit. Abgesehen davon habe die Gemeinde selbst die Situation am Steinberg durch Eingriffe wie den Wegebau verändert. "Sie haben diese Wege in Kenntnis des früheren Bergbaus geschaffen und so auch ein zuvor nicht dagewesenes Gefährdungspotenzial", so Schick. Seine Botschaft als Vertreter der Landesbergdirektion, die auch als obere Polizeibehörde in Sachen Bergbau fungiert, war: die Wege sofort sperren, wobei der untere Weg, von dem nur ein kurzes Stück betroffen ist, nach seiner Einschätzung mit vertretbarem Aufwand saniert werden könnte. Den betroffenen Winzern werde seine Behörde raten, das Gelände nur noch extensiv zu bewirtschaften.
Glück Auf
Horst