Zink-Erz für Altenberg kam aus Masua

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kapl
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Zink-Erz für Altenberg kam aus Masua
Bergbau-Industriekultur auf Sardinien

NRZ Oberhausen

Wer zur Grotta Santa Barbara will, braucht ein gutes Auge. Winzig ist das Hinweisschild am tristen Eingang des verfallenen Erzbergwerks, das wenige Kilometer entfernt von Oberhausens Partnerstadt Iglesias gelegen ist und nun Teil des großen Parc Minerario werden soll. Mit ihm hoffen die Menschen im Südwesten Sardiniens, mehr Touristen anzulocken. Und Tourismus braucht die Provinz von Iglesias und Carbonia nach dem großen Zechensterben als neue wirtschaftliche Perspektive.

Buckelig und steil ist die Schotterpiste und so staubig, dass die wenigen Sträucher längst mit einer dichten Staubschicht überzogen sind. Dazwischen rostige Rohre, triste Betonruinen und ins Leere laufende Förderbänder, traurige Reste einer Industriekultur, die zurück reicht bis in die Zeit der Römer. Sie pflegten missliebige Zeitgenossen in die sardischen Erzgruben ad metallum zu schicken.

Erst als der Kleinbus vor dem Eingang zur Grotte steht, wird das Bemühen um touristische Erschließung sichtbar: Eine kleine gelbe Grubenbahn bringt die Gäste tief hinein in das Bergwerk, in dem einst 1500 Kumpel vor Ort Zink, Galen, Bleioxyd und Silber schürften. Heute sind es noch einige wenige, die Aufräumarbeiten übernommen haben, sagt Geologe Roberto Sarritzu.

Kumpel stießen auf die Grotte

Im April 1972 waren die Kumpel auf die Grotte gestoßen, die bis dahin keinen Zugang hatte. Um das klimatische Gleichgewicht zu wahren, wurde sie sofort nach dem Fund wieder versiegelt - bis im Jahre 1998 das endgültige Aus für die Grube kam.

Während Sarritzu die ersten Stufen der stählernen Wendeltreppe hinauf zur Grotta Santa Barbara steigt, weist er darauf hin, dass das umgebende Gestein 570 Millionen Jahre alt ist und zum ältesten gehört, was in Europa bekannt sei. Nicht ganz so alt ist die gut 20 Meter höher gelegene Grotte: nur 250 Millionen Jahre. Doch sie zählt zu den ältesten und mit Sicherheit zu den schönsten in ganz Europa.

Stolz ist man in Oberhausens neuer Partnerstadt auf diese touristische Attraktion ersten Ranges. Zugleich will man alles daran setzen, die Pracht zu erhalten. Nur alle zwei Tage ist deshalb das Naturwunder für Besucher geöffnet, und dann haben auch nur 100 Zutritt in die Welt der schneeweißen Stalaktiten und Stalakmiten.

Klassizistische Direktorenvilla

Nicht minder interessant ist das vor Iglesias´ Toren gelegenen Bergwerk Monteponi: Die von Palmen umrahmte prächtige klassizistische Direktorenvilla ist restauriert und beherbergt zurzeit eine Werkausstellung des Mittelalter-Malers Guernico. Und sie beherbergt die Universität Sulcis-Iglesiente, ein Ableger der Uni von Cagliari, der Inselhauptstadt.

Drei Fakultäten gibt es, Informatik, Materialwissenschaften und Umweltingenieurswesen, sagt Bürgermeister Paolo Collu stolz und fügt sogleich an, wie er sich den weiteren Ausbau der leer stehenden Bergwerksgebäude hinter der Villa vorstellt: Ein Wellness-Zentrum, ein Restaurant und ein Uni-Dorf sollen in drei Jahren entstehen. Investitionsvolumen: fünf Millionen Euro. Bei der Planung sei die neue Städtepartnerschaft berücksichtigt worden, sagt Collu. Sprich: An Raum für den Jugendaustausch soll es künftig nicht mangeln.

Vor fünf Jahren war der Papst auf Monteponi, Beleg dafür, dass es sich bei dem Bergwerk, dessen Wurzeln bis ins Mittelalter reichen, um große Industriekultur handelt.

An dieser Kultur mangelt es in der Provinz wahrlich nicht. Im Bergbaudorf Masua steht die Grube Porto Flavia. Auch sie ist geschlossen - doch ihr ausgeklügeltes Schiffsbeladesystem war es der Unesco wert, erhalten zu werden.

Frachter ankerten an der Steilküste

Bis in die 20-er Jahre wurde das Erz von Frauen und Kindern in selbstgeflochtenen Körben auf kleine Segelschiffen verladen und nach Carloforte gebracht worden, einen kleinen Seehafen auf der nahen Insel San Antioco.

Dort wurden die Mineralien auf Seeschiffe geladen, die dann Kurs auf das europäische Festland nahmen. Gold, Silber, Kupfer, Blei und Zink wurden exportiert, und letzteres von der Companie Vielle Montagne (Altenberg) zur Weiterverarbeiten nach Oberhausen gebracht.

Einem jungen Ingenieur fiel 1922 die kniffelige Aufgabe zu, eine kostengünstigere Belademöglichkeit zu entwickeln. Er fand die geniale Lösung, trieb zwei Stollen in den Berg, zwischen denen gewaltige Kammern in den Fels gesprengt wurden.

Auf der oberen, 38,5 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Galeria die Carico, wurde das Erz aus den Loren in die jeweils 1200 Tonnen fassenden Kammern gekippt. Im unteren Stollen laufende Förderbänder transportierten das Erz direkt in an der Steilküste ankernde Schiffe. Bis Windstärke sieben konnte geladen werden. Der vor der Steilküste liegende Pane di Zucchero, ein mächtiger hell glänzender Fels, bot genügend Deckung.

Mehr als 40 Jahre lang liefen die Bänder, ehe in den 60er Jahren der Bergbau in der Grube Porto Flavia eingestellt wurde.
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