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Zollverein und die industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet
„Offenes Interessenbekundungsverfahren des Landes NRW zur Fortschreibung der deutschen Tentativliste für das UNESCO-Welterbe“ heißt es offiziell, was die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur am 1. November 2011 beim Land als Antrag eingereicht hat ‒ und was daraufhin kurzfristig als Schreckensmeldung („Denkmal-Käseglocke“) durch die Medien der Region huschte.
Gestern nun wurde das Anliegen präzisiert, 19 Industriedenkmale in 10 Städten sollen mit unter den image- und tourismusfördernden Schirm des UNESCO-Welterbetitels gelangen: die Zeche Zollern, die Kokerei Hansa, das Muttental, das Deutsche Bergbau-Museum, die Zeche Hannover, der Gasometer, die St. Antony Hütte, das Zentrallager GHH, die Siedlung Eisenheim, die Henrichshütte, der Hohenhof in Hagen, die Haldenlandschaften (deren Einzelteile noch bestimmt werden), die Siedlung Margarethenhöhe, die Zeche Carl, der Schleusenpark in Waltrop, der Malakoffturm in Bottrop, die Eisenbahn-Trajekthäfen und der Trajektturm in Duisburg, das Pumpwerk Alte Emscher sowie das Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich (siehe hierzu ausführlich: http://www.industriedenkmal-stiftung.de ... gebiet.pdf ).
Die in Workshops mit VertreterInnen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Denkmalpflege und Verwaltung ( http://www.industriedenkmal-stiftung.de ... nrunde.pdf ) erarbeitete Liste ist vorläufig und kann in den folgenden Monaten sowohl vergrößert als auch verkleinert werden. Bis August 2012 wird auf der Landesebene eine Expertengruppe aus den insgesamt neun NRW-Anträgen zwei auswählen, die dann vom Land NRW in den Bundestopf geworfen werden, über die in 2015 endgültig entschieden wird. Bisher ist Nordrhein-Westfalen mit vier Einträgen in der Liste vertreten: mit dem Kölner und dem Aachener Dom, den Schlössern Augustusburg und Falkenlust in Brühl bei Bonn und der Zeche Zollverein in Essen. Zu den eingereichten NRW-Anträgen gehören der Prinzipalmarkt Münster, die Müngstener Brücke, das Schloss Corvey, Schloss und Park Benrath, die Bauten des Architekten Mies von der Rohe in Krefeld, der Astropeiler Stockert in Bad Münstereifel, der Fundort Neanderthal und die urbane Wasserlandschaft Paderborn. Angesichts dessen mag der Antrag auf eine Erweiterung etwas überdimensioniert erscheinen. Doch da die Industriekultur im nationalen wie im internationalen Reigen bisher unterrepräsentiert ist, schätzt die Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur die Chancen auf eine Erweiterung des Welterbetitels als gut ein. Hinzu kommt, dass mit dem Initiativkreis Ruhr sowie dem Pro Ruhrgebiet e.V. starke Fürsprecher gefunden werden konnten. Diese werden das Anliegen im Ruhrgebiet breit und wirkungsmächtig promoten, was Bodo Hombach, Moderator des Initiativkreises Ruhr und WAZ-Geschäftsführer, bereits gestern Nachmittag mit einem großen Artikel auf der westen.de zu eben diesem Thema tat.
Nur kurz erinnert sei daran, dass diese Idee keineswegs neu, sondern mindestens zehn Jahre alt ist, zuletzt formuliert als „Nationalpark der Industriekultur“ am Ende der IBA-Zeit. Zwar ging es damals weniger um Tourismus und Image, sondern mehr um Schutz und Entwicklung. Beiden Bemühungen gemeinsam ist jedoch das Anliegen, dem Alleinstellungsmerkmal des Ruhrgebiets, seiner Industriegeschichte und seiner Industriekultur, besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und als historisch Relevantes zu bewahren. Ob sich die nicht auf die Industriegeschichte ausgerichtete Geschichtskultur im Ruhrgebiet davon mitgenommen oder an die Wand gedrückt fühlt, sollte in den kommenden Wochen diskutiert werden.
Susanne Abeck
Mailingliste Forum Geschichtskultur an Ruhr und Emscher