Rez. Urangeheimnisse. Das Erzgebirge im

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kapl
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Beitrag von kapl »

Urangeheimnisse. Das Erzgebirge im
Brennpunkt der Weltpolitik 1933-1960
Karlsch, Rainer; Zeman, Zbynek: . Berlin: Christoph Links Verlag
2002. ISBN 3-86153-276-X; 320 S.; EUR 19,90.

Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Sven Schultze, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
E-Mail: <S.Schultze@t-online.de>

Als Otto Hahn und Fritz Straßmann zu Beginn des Jahres 1939 in der
Zeitschrift "Die Naturwissenschaften" die Ergebnisse ihrer kurz zuvor
erstmals durchgeführten Kernspaltung veröffentlichten, stand der Zweite
Weltkrieg bereits bevor. "So war die weitere Atomforschung bald davon
geprägt, eine kriegsentscheidende Waffe zu entwickeln." (S. 9) Dies war
bekanntlich nicht nur in Deutschland der Fall. Obwohl dort zahlreiche
Wissenschaftler, die sich mit dem Thema beschäftigten, es nicht darauf
anlegten, am Bau dieser Waffe beteiligt zu sein, was sie dann nach 1945
auch erfolgreich verschleiern konnten.

Die Entwicklung der Atombombe wurde zum größten geheimen Unternehmen des
20. Jahrhunderts. Dass die USA diesen dramatischen Wettlauf gewonnen
hatten, demonstrierten sie mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und
Nagasaki. Stalin interpretierte diese Ereignisse als völlige
Neugestaltung der geostrategischen, militärischen und wirtschaftlichen
Gegebenheiten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. "Während sich
Briten und Amerikaner von der Ausdehnung des sowjetischen
Einflussbereichs in Europa bedroht fühlten, sah Stalin im
Atombombenmonopol seiner Kriegsverbündeten eine ebenso große Gefahr für
sein Imperium. Das genaue Ausmaß war schwer abzuschätzen, denn die
Informationen über Produktion, Zahl und Effektivität der Nuklearwaffen
wurden als großes Geheimnis behandelt." (S. 8) Die Sowjetunion konnte
den amerikanischen Vorsprung auf diesem Gebiet aber recht schnell
aufholen und zündete ihrerseits im August 1949 die erste Atombombe.

Der Bau von Nuklearwaffen, und dies vor allem auch en masse, erforderte
den Besitz einer großen Menge Uranerz. Die bisher von allen Seiten
unterschätzten Uranvorkommen in Sachsen und Böhmen gerieten nun ins
Blickfeld Stalins, um mit ihnen die sowjetische "Uranlücke" schließen zu
können. Unter Aufsicht seines Geheimdienstes entstanden in der kleinen
Grenzregion zwischen der SBZ/DDR und der Tschechoslowakei zwei der
größten sowjetischen Auslandsunternehmen.

Doch wer meint, nur eine Darstellung der Wismut AG vor sich zu haben,
sieht sich getäuscht. Apuleius Motto folgend: Lector intende,
laetaberis! (Merk auf Leser! Du wirst deine Freude daran haben!),
zeichnen Rainer Karlsch und Zbynek Zeman die Geschichte der Wismut AG
und des tschechoslowakischen Nationalunternehmen Jáchymov nach und geben
Einblicke in den neuesten Forschungsstand über den Wettlauf um die
Atombombe. Die Autoren haben erstmals Quellen aus deutschen, russischen,
tschechoslowakischen, amerikanischen und britischen Archiven
ausgewertet, um die "Urangeheimnisse" aufzudecken, die einst das
Erzgebirge ins Zentrum der Weltpolitik rückten.

Das Buch gliedert sich in vier Hauptteile. Im ersten Teil ("Der Wettlauf
um die Atombombe", S. 9-69) skizzieren Karlsch und Zeman die deutsche
Kernforschung bis 1945, die Bombenvorhaben Japans; es werden das
amerikanische und sowjetische Atombombenprojekt vorgestellt sowie die
Bedeutung des Erzgebirges für die sowjetische "Uranlücke" eingehend
dargestellt. Bei der Beschreibung von Hitlers Kernphysikern eröffnen die
Autoren Einblicke in den neuesten Forschungsstand. Während bislang
Werner Heisenberg, Harteck und Diebner als die zentralen Figuren galten,
lassen sich inzwischen noch andere Forschungsgruppen im Dritten Reich
nachweisen, die möglicherweise noch weiter als die Genannten kamen.

Besonderes Augenmerk kommt hier den österreichischen Wissenschaftlern um
Georg Stetter, Wissenschaftler der Reichspostforschungsanstalt mit
Manfred von Ardenne an der Spitze und in Miersdorf bei Zeuthen um Georg
Otterbein als Leiter zu sowie einem "bisher nur schemenhaft zu
verortendes Team der SS in Thüringen, Österreich und Böhmen" (S. 16).
Nach dem Attentat auf Hitler vom Juli 1944 drängte der Reichsführer SS,
Heinrich Himmler, immer stärker darauf, die wichtigsten Rüstungs- und
Forschungsprojekte seiner Organisation zu unterstellen. In diesem
Zusammenhang erlangte die Gruppe um SS-General Dr. Hans Kammler einen
enormen Machtzuwachs. Über die Ergebnisse der ihm unterstehenden
Arbeiten gibt es widersprüchliche Aussagen. In diesem Kontext taucht
auch hier die brisante Frage auf: "Hat es Anfang März 1945 in Thüringen
einen Test einer kleinen Atomwaffe gegeben?" (S. 17).

Ebenfalls wird deutlich, dass die Führung des Dritten Reiches mehr über
das amerikanisch-britische Atomprojekt wusste, als bislang angenommen.
"Wie sie mit ihren bruchstückhaften Kenntnissen umging, konnte bislang
nicht ausreichend beantwortete werden." (S. 14) Logischerweise brauchte
Deutschland für derartige Forschungen u. a. auch Uranerz. Dieses konnte
teilweise im Krieg erbeutet werden, z. B. in Belgien, oder auch im
Erzgebirge abgebaut werden, dessen Uranminen nach dem Anschluss der
Tschechoslowakei 1938 dem Deutschen Reich ganz zur Verfügung standen,
obwohl, um es vorweg zu nehmen, die dortigen Vorkommen an Uranerz als
wesentlich geringer eingeschätzt wurden als sie sich nach dem Krieg
tatsächlich herausstellten.

An diese Darstellung schließen sich kurze Kapitel über Japans Vorhaben,
Los Alamos und Stalins Atomprojekt an. Etwas länger verweilen die
Autoren bei der Schilderung des Luftangriffes der USA auf das Werk der
Auergesellschaft in Oranienburg und die Zonenteilung 1945 (S. 30-38).
Der Angriff auf die uranerzverarbeitende Auergesellschaft vom 15. März
1945 war ein deutliches Zeichen der westlichen Alliierten an ihre
sowjetischen Verbündeten. Der beginnende Kalte Krieg begann sich bereits
abzuzeichnen. Dabei bleibt zu konstatieren, dass zwischen der
Bereitschaft der Amerikaner, sich aus Sachsen und Thüringen
zurückzuziehen, und der Entscheidung zur Bombardierung ein scharfer
Kontrast besteht. US General Groves konnte sich in den letzten
Kriegsmonaten ein sehr genaues Bild über das deutsche Atombombenprojekt
machen - doch über die Uranerzvorkommen im Erzgebirge war er weniger gut
informiert, denn nur die ältesten europäischen Erzminen von Jáchymov
waren ihm bekannt und diese galten als wenig ergiebig.

Diese Ereignisse werfen Fragen von großer historischer Wichtigkeit auf.
So weisen die Autoren zu recht darauf hin, dass die kurze Zeit der
amerikanischen Besetzung von Teilen der künftigen sowjetischen Zone
immer wieder Anlass für Spekulationen gab. "Warum zogen sich die
Amerikaner aus Sachsen und Thüringen zurück, anscheinend ohne zu ahnen,
dass sie damit den Sowjets überhaupt erst den Zugriff auf die
wichtigsten europäischen Uranressourcen lieferten? Hat das Uranproblem
gar schon bei der Festlegung der alliierten Besatzungszonen eine Rolle
gespielt? Haben die Amerikaner mit ihrem Rückzug eine welthistorische
Chance versäumt?" (S. 36) Von den Sowjets eilig eingesetzte deutsche und
sowjetische Geologen bezifferten die Uranerzvorkommen im Erzgebirge auf
nur wenige hundert Tonnen. Doch schon bis Januar 1946 konnten 1600
Tonnen Uranerz gefördert werden. "Den sowjetischen Verantwortlichen war
jetzt klar, dass in Sachsen die wohl größten Uranvorkommen im
sowjetischen Machtbereich lagerten." (S. 44).

Im zweiten Teil des Buches ("Uranbergbau im Erzgebirge", S. 46-69)
beschreiben Rainer Karlsch und Zbynek Zeman zunächst die historische
Bergbauentwicklung dieser Region. Beginnend mit einem Überblick vom
Silberbergbau des 13. Jahrhunderts über die berühmten Uranfarben und
Radiumbäder wird der Bogen bis zum Beginn des Atomzeitalters gespannt.
Dabei wird auch auf die gesundheitlichen Risiken des Uranerzbergbaus
dezidiert eingegangen. Die Probleme und die meist tödlichen Folgen der
"Joachimsthaler Bergkrankheit" werden von den Autoren ausführlich
behandelt, da sie den Uranbergbau bis zu seiner Einstellung begleiteten.
Statistiken im Anhang des Buches geben u. a. die Zahlen über Unfälle und
Berufskrankheiten bei der SDAG Wismut und die Anzahl der anerkannten
Berufskrankheiten bei der SDAG Wismut 1952-1990 wieder (S. 302). Und
nach der Besetzung des Sudetenlandes 1938 stand auch die Frage nach der
Vernichtung durch Arbeit in den Uranminen im Raum (S. 61).

Der dritte Teil ("Ein Industriegebiet mit 'strahlender Zukunft' - Das
tschechoslowakische Nationalunternehmen Jáchymov": S. 70-140)
beschäftigt sich mit dem tschechoslowakischen Nationalunternehmen
Jáchymov und seiner Bedeutung bei der Schließung der sowjetischen
"Uranlücke". Hierbei räumen die Autoren dem Zustandekommen des
sowjetisch - tschechoslowakischen Freundschaftsvertrages viel Platz ein.
Zeugt er doch u. a. von dem großen Wert, den das böhmische Uranerz für
die Sowjets hatte.

Der sowjetische Einfluss auf den neu gegründeten Staat wurde rasch
spürbar und das Uranerz wurde, von der Öffentlichkeit unbemerkt, zum
Dreh- und Angelpunkt der sowjetisch - tschechoslowakischen Beziehungen.
Bereits am 23. November 1945 kam es zur Unterzeichnung eines
Uranvertrages zwischen beiden Staaten. Dieser geheime Vertrag "führte de
facto zur Übergabe eines industriellen Schlüsselsektors an Moskau und
erlaubte es den Sowjets, Einblicke in die tschechoslowakische
Gesellschaftsordnung zu gewinnen" (S. 104). Der sowjetische Uranbedarf,
der Arbeitskräftemangel in den ersten Nachkriegsjahren und die Methoden
von Berijas Geheimdienst waren hierbei auf ungewöhnliche Weise
miteinander verknüpft. Hinzu kam, dass das Gebiet in der Grenzregion
überwiegend von Deutschen besiedelt und nun weitgehend entvölkert war.
Die Folge war ein tschechoslowakischer Archipel GULag (S. 119). Mitte
der fünfziger Jahre erreichte die Arbeitskräftezahl in der Uranindustrie
der CSR mit 46.351 Beschäftigten ihren Höhepunkt, darunter 9.214
Häftlinge.

Im vierten Teil ihres Buches ("Ein 'Staat im Staate' - Die Wismut AG in
Ostdeutschland", S. 141-255) widmen sich Karlsch und Zeman der
ostdeutschen Wismut AG. Bis 1990 wurden in Ostdeutschland 221.000 Tonnen
Uran gefördert. Damit gehörte die DDR nach den USA und Kanada zu den
bedeutendsten Uranproduzenten der Welt. Wie bereits skizziert, begann
alles sehr schnell. 1946 begannen die Sowjets mit dem Abbau von Uranerz
im Erzgebirge, und am 10. Mai 1947 kam es durch eine Verordnung des
Ministerrats der UdSSR schließlich zur Bildung der Aktiengesellschaft
(AG) Wismut. Jedoch war die Wismut AG kein normaler Betrieb. "Dieses
größte Reparationsunternehmen des 20. Jahrhunderts wurde in unglaublich
kurzer Zeit fast aus dem Nichts heraus aufgebaut.

In den ersten Jahren des Uranbergbaus musste unter Bedingungen
gearbeitet werden, die denen der frühen Neuzeit glichen." (S. 196) Die
Wismut AG besaß für die Absicherung der sowjetischen atomaren Rüstung
höchste strategische Priorität. Ähnlich wie in der Tschechoslowakei trug
die Organisation in der Anfangsphase Züge des GULag Straflagersystems.
Aber im Gegensatz zum Nationalunternehmen Jáchymov trat dieses System
bald mehr und mehr in den Hintergrund. Denn die erhofften
Produktionsleistungen konnten auch durch Repressalien dieser Art nicht
durchgesetzt werden. Der Uranabau führte zu einem immensen Raubbau an
der Natur, der von den Autoren eindringlich geschildert wird. Die
Umweltschäden, u. a. auch durch den "Bergbau im Vorgarten" und die
radioaktive Kontamination der Schlammdeponien, nahmen immense Ausmaße
an.

Insgesamt liegt eine gelungene Arbeit vor, die, nicht zuletzt auch durch
ihren flüssigen und gut zu lesenden Schreibstil, eine freundlich
Aufnahme und eine breite Resonanz finden wird. Das Buch enthält neben
den Verzeichnissen der Anmerkungen und Abkürzungen, eine Statistik, ein
Quellen- und Literaturverzeichnis mit dem Verzeichnis der Archive, ein
Abbildungsverzeichnis und ein Personenregister sowie eine Fotosektion in
der Mitte des Buches.

Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Michael Lemke <lemkem@geschichte.hu-berlin.de>

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Gast

Beitrag von Gast »

In dem Buch is sehr viel trockene Politik enthalten, aber für die, denen das Geschehen rund um den Bergbau ebenso wichtig ist, kann man es schon empfehlen. Man sollte aber keine einzelne Beschreibung der Bergwerke erwarten, dafür gibts andere Bücher. Auch finde ich den immer wiederkehrenden Ausdruck "Minen" für das Erzgebirge nicht angebracht. So wurden vielleicht sonstwo die Gruben genannt, aber nicht dort.

GA taubes Gestein
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